Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Hans Hautmann: Befreiung, Staatsvertrag, Neutralit�t und das �sterreich von heute

Wenn wir heute zusammengekommen sind, um des antifaschistischen Widerstandes, der Befreiung �sterreichs im Jahr 1945, des Staatsvertrages und der Neutralit�tserkl�rung zu gedenken, dann ist die Bezeichnung "Festveranstaltung", wie es in der Einladung hei�t, sehr wohl gerechtfertigt. Gerechtfertigt vor allem f�r jene Menschen und politischen Kr�fte in unserem Land, die diese Traditionen bewusst hochhalten. Weniger festlichen Charakter hat die Erinnerung daran f�r jene, die diese Fundamente der 2. Republik sukzessive aush�hlen, die zwar im heurigen Gedenkjahr ein gewaltiges Get�se machen mit Ausstellungen, Erinnerungsartikeln in den Zeitungen, Fernsehsendungen, Symposien und offiziellen Reden, die aber gerade das, was Kern der Sache ist, entweder unter den Tisch fallen lassen oder verdreht, verf�lscht, auf ihre Bed�rfnisse zurechtgebogen der �ffentlichkeit darbieten. Sinn und Aufgabe meines Referats ist es, die Dinge hier ins Licht der historischen Wirklichkeit zu r�cken und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten, die f�r die aktuellen politischen Auseinandersetzungen um den Weg, den �sterreich seit einiger Zeit und gegenw�rtig beschreitet, von Bedeutung sein k�nnen.

Antifaschistischer Widerstand

Der historische Sieg �ber den Faschismus im Jahr 1945 ist ohne Ber�cksichtigung einer grundlegenden Bedingung unm�glich zu verstehen. Die Besonderheit des Zweiten Weltkriegs war, dass neben dem Kampf der regul�ren Armeen an den Hauptfronten eine neue Kraft, ein neuer milit�rischer und politischer Faktor in einem Ausma� in Erscheinung trat, wie ihn die Geschichte bis dahin nicht gekannt hatte: der antifaschistische Widerstandskampf der V�lker, der in L�ndern wie Jugoslawien, Griechenland, Polen, Italien, Frankreich, Tschechoslowakei, Norwegen und den besetzten Teilen der Sowjetunion in seine h�chste Form, den Partisanenkrieg, �berging und 1944/45 vier bis f�nf Millionen Menschen erfasste.
In den genannten L�ndern waren die Bedingungen, um breite Volksmassen zum aktiven Handeln gewinnen zu k�nnen und unter ihnen Verst�ndnis f�r die Ziele der Widerstandsbewegung zu erwecken, g�nstig. Hier war der Feind in erster Linie der ausl�ndische faschistische Okkupant, der in das Land eingefallen war und ein Terrorregime errichtet hatte. Dass der Kampf gegen den ausw�rtigen Aggressor mit dem Kampf gegen seine einheimischen Kollaborateure und Quislinge verbunden werden musste, ergab sich von selbst.
Ungleich schwierigere Bedingungen herrschten f�r die Widerstandsbewegung in L�ndern, in denen der Faschismus bereits seit Jahren an der Macht war, in L�ndern wie Deutschland und �sterreich. Denn hier musste der Kampf auf den Sturz der eigenen Regierung und auf die Niederlage des eigenen Landes abzielen. Eine solche Einsicht musste die in breiten Kreisen der Bev�lkerung vorhandene und im Zuge der Blitzkriegsiege noch verst�rkte chauvinistische Verhetzung, die nationale und soziale Demagogie und die T�uschung des Volkes �ber die wahren Ursachen und Ziele des Krieges erst �berwinden, um eine wirkliche Massenbewegung gegen Faschismus und Krieg entwickeln zu k�nnen.
Wir wissen, dass das ausblieb, dass es dem deutschen und �sterreichischen Volk nicht gelang, das NS-Regime aus eigener Kraft abzusch�tteln. Die Hitlerdiktatur, ein aus dem Boden kapitalistisch-imperialistischen Expansionsstrebens emporgewachsenes und es ins Extreme �bersteigerndes Regime des Verbrechens, Herrenmenschend�nkels und Rassenwahns, erf�llt von wilder Aggressivit�t nach au�en und schonungsloser Verfolgungs- und Vernichtungswut gegen�ber jedweder inneren Opposition, konnte erst durch die vereinten Anstrengungen der gro�en Weltv�lker, nach jahrelangen gewaltigen, blutigen Schlachten niedergezwungen werden. Die Verdienste jener Frauen und M�nner in unserem Land, die, aus den verschiedensten Lagern kommend, mutvoll, unbeirrt und heroisch Widerstand leisteten, schm�lert das aber nicht im geringsten, ganz im Gegenteil. Denn sie waren es, die sich dem Strom eines blind machenden Fanatismus, kollaborierenden Profitierens und Anpassertums an das Naziregime entgegenstemmten und, ihrem Gewissen folgend, die Fahne der Freiheit, Demokratie und Menschenw�rde hochhielten. Und wie auch anderswo standen auch bei uns unter ihnen Kommunistinnen und Kommunisten an vorderster Stelle. Sie nahmen die gr��ten Opfer auf sich, um jenen Beitrag zur Absch�ttelung der deutschen Fremdherrschaft zu leisten, den die Moskauer Deklaration vom �sterreichischen Volk einforderte, die Deklaration vom Oktober 1943, in der die drei Hauptm�chte der Anti-Hitler-Koalition Sowjetunion, USA und Gro�britannien die Wiederherstellung �sterreichs als unabh�ngiger Staat als eines ihrer Kriegsziele verk�ndeten. Dieser Tausenden Kommunistinnen und Kommunisten zu gedenken, die unter dem Fallbeil starben, in Konzentrationslagern zugrunde gingen, wegen Hochverrats ins Zuchthaus kamen, im Untergrund Flugbl�tter verbreiteten und Aufkl�rungsarbeit betrieben, in den R�stungsbetrieben die Produktion sabotierten, die in Frankreich, Belgien und Jugoslawien in den Reihen der R�sistance und der Partisanenverb�nde standen, die in den alliierten Armeen und im Exil am Kampf gegen den Faschismus teilnahmen � ihrer zu gedenken ist uns an diesem Tag ein aus vollem Herzen kommendes Bed�rfnis. Wir Nachgeborenen sind ihnen f�r ihren opfervollen Kampf f�r immer zu Dank verpflichtet und m�ssen auch k�nftig alles in unserer Macht stehende tun, um ihre gro�en Verdienste immer wieder in Erinnerung zu rufen.

Befreiung

Die Stunde der Wiedererstehung �sterreichs schlug, als Ende M�rz 1945 die 3. Ukrainische Front die Offensive gegen Wien er�ffnete und die Hauptstadt unseres Landes am 13. April nach einw�chigem schweren Kampf befreite. 18.000 Sowjetsoldaten mussten dabei ihr Leben lassen. Es war eine wirkliche Befreiung, ohne jene h�mischen Anf�hrungsstriche, unter die unsere antikommunistischen Meinungsmacher diesen Begriff noch immer zu setzen pflegen. Die Sowjetunion hielt sich in ihrer �sterreich-Politik strikt an die Grunds�tze der Moskauer Deklaration. Sie gestattete umgehend die Wiederbegr�ndung der Parteien, der �VP, SP� und KP�, des Gewerkschaftsbundes und anderer gesellschaftlicher Organisationen, sie vertraute �sterreichischen Antifaschisten und Demokraten Funktionen in der Verwaltung des Landes an, um den Wiederaufbau in Gang zu bringen, die Versorgungsprobleme zu l�sen und die Voraussetzungen geordneten staatlichen Leben zu schaffen. Die sowjetische Seite erwies sich hier als weit entgegenkommender und liberaler als die Westm�chte in den von ihnen besetzten Teilen �sterreichs. Die Einsetzung der Renner-Regierung durch den Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen Front, Marschall Tolbuchins, auf Anweisung Stalins war au�erdem jener Schritt, der die entscheidende Grundlage f�r die Wiedererrichtung eines unabh�ngigen, selbst�ndigen und vor allem einheitlichen �sterreichischen Staates schuf. F�r die Sowjetunion bedeutete die Einsetzung einer �sterreichischen Regierung nicht nur eine Erleichterung ihrer Besatzungsaufgaben, sie war auch das weithin sichtbare Signal der de facto-Trennung �sterreichs vom Deutschen Reich und daf�r, dass die Sowjetunion die unter den Westm�chten immer noch schwelende Diskussion �ber die Zukunft �sterreichs � Stichwort: Plan einer Donaukonf�deration mit Bayern und Ungarn � f�r endg�ltig erledigt betrachtete. Und durch das beharrliche Streben der Sowjetunion, die Anerkennung der Renner-Regierung durch die Westm�chte zu erreichen, sind Umtriebe, in West�sterreich eine Gegenregierung zu etablieren mit der Gefahr der Spaltung unseres Landes hintan gehalten worden.
 

Um die Befreiung des Jahres 1945 richtig und historisch wahrheitsgetreu w�rdigen zu k�nnen, ist es notwendig, auf Ergebnisse einzugehen, die heute von den politischen und wirtschaftlichen Eliten in unserem Land nur zu gern vergessen und unter den Teppich gekehrt werden. Als sich die Niederlage des NS-Regimes und seiner Satelliten in Europa abzuzeichnen begann, also noch w�hrend des Zweiten Weltkriegs, wurde es klar, dass mit der Zerschlagung des Faschismus auch eine tiefe Krise des Kapitalismus in Europa eintreten musste, weil sich die Gro�bourgeoisie nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen L�ndern des europ�ischen Festlandes auf das engste mit den Regimen verbunden hatte. Ein betr�chtlicher Teil der Bourgeoisie und ihrer Schachfiguren im Apparat der politischen Parteien und des Staates war durch die Kollaboration mit dem Faschismus diskreditiert. Die Schw�chung dieser Kr�fte auf faktisch allen Gebieten und die Tatsache, dass die Leiden, denen die V�lker durch Faschismus und Krieg unterworfen waren, zu einer Zusammenballung gro�er gesellschaftsver�ndernder Energien f�hrten, schufen g�nstige Bedingungen f�r das Wachstum der Arbeiterbewegung und allgemeindemokratischen Bewegung, was bekanntlich so weit ging, dass der antifaschistische und nationale Befreiungskampf in einer Reihe von L�ndern Europas und Asiens in sozialistischen Umw�lzungen ausm�nden konnte. Aber auch anderswo trat 1945 f�r eine gewisse Zeit eine Situation ein, die man als Einschr�nkung und Verletzung der gewohnten Grunds�tze kapitalistischen Wirtschaftens charakterisieren kann.
�sterreich hat dazu geh�rt. Aus den von der Roten Armee befreiten Gebieten �sterreichs hatten sich die meisten Gro�unternehmer nach dem Westen abgesetzt, die direkt mit dem NS-Regime verbundenen Teile der Bourgeoisie und die h�here Beamtenschaft waren aus den Betrieben und der Staatsverwaltung verschwunden. Die Arbeiter selbst �bernahmen mit den demokratischen Schichten des Volkes den Aufbau und die Leitung der Betriebe sowie der Verwaltung. Verbunden mit dieser aktiven Anteilnahme am Wiederaufbau war die Forderung nach Verstaatlichung der Betriebe, einer Demokratisierung der Verwaltung und nicht zuletzt der Wunsch nach einem neuen Weg, den �sterreich k�nftig beschreiten sollte. Diese breite Massenstimmung trug dazu bei, dass selbst der Vorsitzende der b�rgerlichen Partei �VP, Leopold Figl, 1945 von einer revolution�ren Erneuerung �sterreichs sprach und sie ank�ndigte.
Das alles hat sowohl verfassungsrechtlich wie realpolitisch seinen Niederschlag gefunden, in der Unabh�ngigkeitserkl�rung vom 27. April 1945, dem grundlegenden staatsbildenden Dokument der 2. Republik, in der Verstaatlichung der Schl�sselindustrien und Gro�banken, in der Gr�ndung des einheitlichen �sterreichischen Gewerkschaftsbundes, in der Erweiterung der Rechte der Betriebsr�te, im Ausbau des Arbeits- und Sozialrechts, im NS-Verbotsgesetz und Kriegsverbrechergesetz und anderem mehr.
An dieser Stelle ist nachdr�cklich daran zu erinnern, dass die �sterreichische Auspr�gung der gewaltigen politischen Errungenschaften, die durch den Befreiungskampf der V�lker im Zweiten Weltkrieg erwirkt wurden, auch in der Weiterentwicklung der formal-demokratischen Bundesverfassung der 1. Republik zu einer demokratisch-antifaschistischen Verfassungsordnung nach 1945 bestand. Neben den genannten Gesetzen des Jahres 1945 und der unmittelbaren Jahre danach geh�ren dazu Bestimmungen des �sterreichischen Staatsvertrages, die 1964 zu Verfassungsgesetzen erhoben wurden und damit Bestandteil des geltenden �sterreichischen Verfassungsrechts sind. Es sind das die Artikel 6 (�ber die Menschenrechte), 7 (�ber die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten), 8 (�ber die demokratischen Einrichtungen) und 9 (�ber die Aufl�sung nazistischer Organisationen) des Staatsvertrages. Der weit gefasste Inhalt des Artikels 9 verpflichtet �sterreich, aus dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu tilgen, um zu gew�hrleisten, dass der Faschismus nicht in irgendeiner Form wiedererstehen kann. Er bringt auch die historische Erfahrung zum Ausdruck, dass der Militarismus stets der Weggef�hrte des Faschismus war, und verpflichtet �sterreich daher, jede militaristische T�tigkeit und Propaganda zu verhindern. Auch die Rechtsprechung der H�chstgerichte tr�gt dieser Grenzziehung gegen�ber faschistischen und antidemokratischen Bestrebungen Rechnung. Der Oberste Gerichtshof sprach z.B. in einer Entscheidung Anfang der siebziger Jahre aus, dass eine nazistische �u�erung, die unter das Verbotsgesetz f�llt, nicht den Schutz des Grundrechts auf freie Meinungs�u�erung genie�en kann.
Die �sterreichische Verfassungsordnung der 2. Republik ist also keinem abstrakten Pluralismus verpflichtet, sondern ist klar demokratisch-antifaschistisch strukturiert. Die darin festgeschriebenen Grunds�tze stehen in einem unaufl�slichen politischen Zusammenhang und lauten: staatliche Unabh�ngigkeit, Demokratie, Antifaschismus, Antimilitarismus und Neutralit�t.

Staatsvertrag

Diese Fundamente der �sterreichischen Staatlichkeit nach 1945 verdanken wir, schlicht und einfach gesagt, der durch die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs bewirkten Schw�chung der globalen Positionen des Kapitalismus, der Existenz der Sowjetunion und der weltweiten Machtzunahme der kommunistischen Bewegung. Ohne diese epochale Kr�fteverschiebung w�re �sterreich niemals das geworden, was es in den Jahrzehnten nach 1945 wurde und wozu auch als untrennbarer und f�r die Herrschenden politisch notwendiger Bestandteil der Ausbau der Sozial- und Wohlfahrtsstaates geh�rte. Es ist daher nur folgerichtig, dass die Attacken gegen den Sozial- und Wohlfahrtsstaat, die vor ungef�hr 15 Jahren begannen und auf seine Demolierung abzielen, immer mit Attacken verbunden waren gegen den Staatsvertrag und die Neutralit�t als angeblich "souver�nit�tseinschr�nkende" und "obsolet gewordene Relikte der Vergangenheit".
Damit komme ich zum Staatsvertrag von 1955, der ja im heurigen Gedenkjahr gezielt in den Vordergrund geschoben wird durch zwei gleichsam "staatsoffizielle" Ausstellungen, auf der Schallaburg und im Belvedere. Unschwer wird der Besucher dort das Geschichtsbild wieder finden, das in den K�pfen der Durchschnitt�sterreicherinnen und -�sterreicher �ber diese Zeit dominiert und das nichts anderes als das von den Herrschenden gepr�gte Geschichtsbild ist: �sterreich, ein kleines, friedliches Land, weltweit beliebt wegen der Sch�nheit seiner Landschaft und der Freundlichkeit und Gem�tlichkeit seiner Bewohner, wird 1938 schuldlos und von allen europ�ischen M�chten im Stich gelassen zum ersten Opfer Hitlerscher Aggression; schweres Leid und furchtbare Entbehrungen f�r die Menschen unseres Landes im Zweiten Weltkrieg; im Jahr 1945 "befreit", aber nicht frei; der Leidensweg �sterreichs dauert durch die Vierm�chtebesatzung fort, insbesondere durch die Anwesenheit der sowjetischen Besatzungstruppen; schwer muss das Land zehn Jahre lang um seine Freiheit ringen und daf�r wegen der Existenz der USIA-Betriebe und f�r die Abl�se des ehemaligen deutschen Eigentums an die Sowjetunion, einen hohen Preis bezahlen; der Staatsvertrag bringt uns endlich die Freiheit und ist deshalb sch�tzenswert; gleichzeitig enth�lt er aber Bestimmungen, die den Handlungsspielraum �sterreichs beschr�nken und vor allem der kommunistischen Sowjetunion Handhaben bieten, um Druck auf �sterreich auszu�ben � siehe den Einspruch gegen den Beitritt �sterreichs zur EWG Anfang der sechziger Jahre, und anderes mehr.
In Wahrheit ist �sterreich mit dem Staatsvertrag durchaus glimpflich davongekommen. Stellt man in Rechnung, welche Rolle die �sterreicher und konkret die �konomischen Nutznie�er und kollaborierenden Profiteure des NS-Systems bei uns im Zweiten Weltkrieg wirklich spielten, dann sind die Auflagen des Staatsvertrags sogar moderat. Mehr noch: die wichtigsten Bestimmungen sind solcher Art, dass sie von jedem mit einer ehrlichen demokratischen Gesinnung als positiv und begr��enswert eingesch�tzt werden m�ssen. Dazu z�hlen Art. 6 �ber die Menschenrechte, der Art. 7 �ber die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten, der Art. 8 �ber die demokratischen Einrichtungen, der Art. 9 �ber die Aufl�sung nazistischer Organisationen, und der Art. 10 �ber besondere Bestimmungen der Gesetzgebung, in dem, f�r mich besonders sympathisch, �sterreich unter anderem verpflichtet wird, das Habsburgergesetz aufrechtzuerhalten. Wie schon erw�hnt sind diese genannten Bestimmungen 1964 zu Verfassungsgesetzen erhoben worden und damit Bestandteil des geltenden �sterreichischen Verfassungsrechts.
Erinnern wir uns daran, dass gleich nach dem Ende des sozialistischen Staatensystems in Europa die �sterreichische Bundesregierung mehrere Artikel des Staatsvertrags, darunter die Auferlegung des Verbots f�r bestimmte Waffen, f�r obsolet erkl�rt hat, und im Zuge des Beitritts �sterreichs zur EU im Jahr 1995 massiv auf die Obsoleterkl�rung des Staatsvertrags in seiner Gesamtheit hingewirkt wurde. Der heutige Nationalratspr�sident Andreas Khol hat damals den Staatsvertrag als nur noch "anbetungsw�rdiges Tabernakel der Verehrung" bezeichnet, das keinerlei inhaltliche Aktualit�t mehr besitze.
Man ist dann doch davon abgekommen, einen solchen Schritt zu setzen, wohl deshalb, weil man sich bewusst wurde, damit au�enpolitisch ein falsches Signal zu geben. In Wahrheit ist der Staatsvertrag mit seinen wesentlichen Inhalten Demokratie, Antifaschismus, Verpflichtung �sterreichs zur Bek�mpfung aller Formen des Nationalsozialismus und Minderheitenschutz nicht obsolet, sondern harrt sogar bis heute beim Artikel 7, dem Minderheitenschutz, seiner Verwirklichung und Einl�sung � siehe K�rnten und den K�rntner Heimatdienst, wo es im Artikel 7 an einer Stelle sogar ausdr�cklich hei�t, dass "die T�tigkeit von Organisationen zu verbieten ist, die darauf abzielen, der kroatischen und slowenischen Bev�lkerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen".

Neutralit�t

Vier Monate nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist es im Epochenjahr 1955 schlie�lich dazu gekommen, dass der �sterreichische Nationalrat ein Gesetz verabschiedete, das kein allt�gliches Gesetz war, sondern eines von besonderem Gewicht, im Verfassungsrang, das Bundesverfassungsgesetz �ber die immerw�hrende Neutralit�t. �sterreich erkl�rte es aus "freien St�cken", was so viel hei�t wie "nicht dazu gezwungen", "frei entscheidend", "aus eigenem Willen". Als Zweck dieser Willensentscheidung zum neutralen Status wurde nicht blo� die milit�rische B�ndnislosigkeit, die Nichtteilnahme an Kriegen und die Nichtzulassung milit�rischer St�tzpunkte auf �sterreichischem Territorium proklamiert. Die immerw�hrende Neutralit�t sollte vielmehr, wie es in dem Gesetz hei�t, die dauernde Behauptung der Unabh�ngigkeit �sterreichs nach au�en und die Unverletzlichkeit seines Gebietes gew�hrleisten. Und wenn von Erhaltung der Unabh�ngigkeit die Rede war, dann war damit eindeutig die Unabh�ngigkeit von Deutschland gemeint, denn eine Bedrohung von jemand anderem hatte es vorher nicht gegeben.
Es ist immer wieder n�tzlich, daran zu erinnern, dass die Neutralit�t in den Jahren vor 1955 von der �VP, SP� und dem Vorl�ufer der Freiheitlichen Partei, der VdU, abgelehnt wurde. Ein Land, das sich zu "westlichen Werten" bekenne, so wurde argumentiert, d�rfe sich nicht auf die "Standpunktlosigkeit eines farblosen Neutralismus" begeben. Nur die Kommunistische Partei �sterreichs hat seit 1953 den neutralen Status gefordert und ist in dieser Sache nach einer vor�bergehenden kurzen Schwankung im Jahr 1954 konsequent geblieben. Als es dann zur Vereinbarung in Moskau im April 1955 kam, die den Weg zum Staatsvertrag ebnete, gingen auch die �VP und SP� auf die Position der Neutralit�t �ber. Ihre Abgeordneten waren es, die gemeinsam mit den Mandataren der KP� am 26. Oktober 1955 das Neutralit�tsgesetz mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Die Vorl�ufer der Freiheitlichen stimmten dagegen.
Die geschichtlichen Erfahrungen haben gezeigt, dass �sterreich in den Jahrzehnten danach mit der Neutralit�t gut gefahren ist. Mehr noch: der Weg vom Anschlussgedanken des Jahres 1918 zur Neutralit�tserkl�rung 1955 war der Weg �sterreichs zu sich selbst, der Weg aus gef�hrlichen Abenteuern zu geradezu idealen Voraussetzungen seiner staatlichen Existenz. Die Neutralit�t war dem Status �sterreichs als Kleinstaat einzig ad�quat und wie auf den Leib geschneidert.
In dem Zusammenhang muss auf das nach wie vor vorhandene Geschichtsklischee eingegangen werden, wonach �sterreich im Jahr 1955 die Neutralit�t von Moskau "aufgezwungen" worden sei. Es liegt auf der Hand, dass diejenigen, die �sterreich zu einem Teil des westlichen Blocksystems machen wollten, die Neutralit�t als etwas Aufgezwungenes empfanden, und diese Behauptung stets dazu diente, die �ffentliche Meinung darauf vorzubereiten, im gegebenen opportunen Moment die Neutralit�t �ber Bord zu werfen. Die Wahrheit ist, dass die Sowjetunion eine Neutralit�tspolitik als den einzig gangbaren Weg zum �sterreichischen Staatsvertrag aufzeigte und der �sterreichischen Regierung die Entscheidung dar�ber �berlie�. Die �sterreichische Regierung w�hlte diesen Weg, und die �sterreichische Bev�lkerung hat die Neutralit�t gerne akzeptiert.
Die Sache hat aber noch einen Aspekt, einen noch weit gravierenderen. Wenn �sterreich �ber Jahrzehnte mit der Neutralit�t gut gefahren ist, durch sie zu einem geachteten Mitglied der Staatengemeinschaft wurde, die �ra der aktiven Neutralit�tspolitik die vielleicht positivste Periode unserer gesamten Geschichte war, und wenn es also dann so sein sollte, dass ein anderer Staat, noch dazu ein kommunistischer, �sterreich zu diesem Gl�ck erst zwingen musste, dann stellt das jenem Teil der herrschenden Kreise, die bei uns Gegner der Neutralit�t waren und blieben, ein besch�mendes, geradezu vernichtendes Zeugnis aus.
Immerhin hat �sterreich � und das muss der historischen Gerechtigkeit willen gesagt werden � eine Zeitlang ein durchaus eigenst�ndiges Neutralit�tsverst�ndnis entwickelt und eine aktive Neutralit�tspolitik betrieben, die die M�glichkeiten zu einem kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Br�ckenschlag zwischen Ost und West, zum Engagement in internationalen Friedensaufgaben n�tzte. Dadurch gewann �sterreich in der Staatenwelt ein hohes Ansehen � etwas, von dem heute �berhaupt nichts mehr zu sp�ren ist � , es wurde als Ort geachtet, wo Begegnung und Austausch, Vermittlung und Gespr�ch in Konfliktf�llen der internationalen Politik stattfinden konnten. Die Anerkennung dieser Tatsache blieb nicht aus. Wien wurde neben New York und Genf zum dritten Hauptsitz der Vereinten Nationen, �sterreich wirkte im UNO-Sicherheitsrat mit und spielte eine wichtige und positive Rolle im KSZE-Prozess der siebziger Jahre. All das hat die internationale Stellung �sterreichs gest�rkt und gegen�ber der Situation in den Jahrzehnten vor der Neutralit�tserkl�rung von 1955 unvergleichlich verbessert.
Die �sterreichische Bundesregierung h�tte aber schon damals noch viel weiterreichende Beitr�ge leisten k�nnen. Es hat immer Kr�fte bei uns gegeben, die die Neutralit�t als ausschlie�lich milit�rische ansahen und engagierte Konzepte zur Abr�stung, Entmilitarisierung und Friedenssicherung unber�cksichtigt lie�en. Ein Hauptst�tzpunkt dieser Kr�fte war das Offizierskorps des Bundesheeres, das Verbindungen zur NATO kn�pfte und ihr �ber die Radar- und Abh�rstationen im Osten �sterreichs geheime Nachrichten �ber die L�nder des Warschauer Pakts zukommen lie�. Folgerichtig wurde die Bundesheergeneralit�t nach 1989/91 einer der vehementesten Bef�rworter der Aufgabe der Neutralit�t und des Beitritts zur NATO.
Die Neutralit�t hatte aber nicht nur au�enpolitische Bedeutung. Sie war auch nie ein blo� v�lkerrechtliches Instrument. Sie hatte auch eine zutiefst politische Funktion bei der Herausbildung und Festigung der nationalen Identit�t der �sterreicher und �sterreicherinnen. Wenn im Jahr 1956 nur 49 Prozent der �sterreicher bejahten, dass sie eine eigenst�ndige Nation seien und dieser Prozentsatz mittlerweile auf weit �ber 80 angewachsen ist, dann ist das auch und sogar in erster Linie der Neutralit�tspolitik geschuldet, weil sie ein identit�tsstiftender Ausdruck f�r den Eigenwillen und das Eigenleben der Republik �sterreich ist.
Entgegen diesem Willen und Grundgef�hl der gro�en Mehrheit der �sterreichischen Bev�lkerung betrieben die wirtschaftlichen und politischen Eliten ab einem bestimmten Zeitpunkt die systematische Aush�hlung und Demontage der Neutralit�t. Begonnen hat das um das Jahr 1987 noch in der Gorbatschow-�ra, als sichtbar wurde, dass es mit der Sowjetunion und dem System des realen Sozialismus in Europa bergab ging. Nach den Ereignissen von 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde dann die Neutralit�t pl�tzlich als �berholt und wertlos erkl�rt, als Relikt einer besonderen Situation der Kalten-Kriegs-Vergangenheit. Der Neutralit�tsstatus wurde ver�chtlich gemacht und als Begriff negativ besetzt. Man sprach von "Trittbrettfahrerei", von einem feig-opportunistischen Heraushalten aus dem System der europ�ischen Solidarit�t, von einer "unbrauchbaren, zutiefst unanst�ndigen Haltung, die den konkreten Interessen �sterreichs widerspricht" und, wie es unl�ngst der Verfassungsrechtler Heinz Mayer in einem Interview f�r die "Salzburger Nachrichten" vom 13. April 2005 ausdr�ckte, von "einer der gro�en L�gen der �sterreichischen Politik".

Das �sterreich von heute

Woher kommt das alles? Woher stammen die Attacken gegen die Neutralit�t? Wer steckt dahinter und mit welchen Motiven und Interessen? Dass sie nicht von unten, von der Basis, von der Masse der Menschen in unserem Land ausgehen, ist klar. Der Tr�ger der Angriffe sind die wirtschaftlich M�chtigen in unserem Land, ist das �sterreichische Gro�kapital.
Um dessen Motive besser zu verstehen muss man in die Geschichte zur�ckzugehen, bis zum Epochenjahr 1918. In diesem Jahr des Zusammenbruchs der Habsburgermonarchie verlor die real herrschende Schicht, das deutsch�sterreichische Industrie- und Bankkapital, mit einem Schlag seine �konomische F�hrungsposition im Rahmen einer europ�ischen Gro�macht. Diesen Sturz von den wirtschaftlichen Kommandoh�hen in Mittel- und S�dosteuropa hat das �sterreichische Gro�kapital nie verwunden. Von daher stammt das Gerede von der "Lebensunf�higkeit" �sterreichs, die die gesamte Erste Republik durchzieht, stammen die diversen "Donaukonf�derations"-Pl�ne, die Anschlusspropaganda, die "Mitteleuropa"-Idee, das Wort vom "Verhungern in der Neutralit�t", und letztlich die 1994/95 erfolgreich durchgezogene Kampagne f�r den Vollbeitritt zur EU. In h�chst anschaulicher und selten offener Weise hat das der damalige ober�sterreichische Landeshauptmann Ratzenb�ck ausgedr�ckt, als er Au�enminister Mock f�r seine Verdienste um den EU-Beitritt mit dem h�chsten Orden des Landes Ober�sterreich auszeichnete. Er sagte da in seiner Laudatio: "Im Jahr 1918 ist uns �sterreichern der Rock zu eng geworden. Das unbequeme Sitzen, das Zwicken und Zwacken, ist jetzt, nach �ber siebzig Jahren, endlich vorbei."
Damit haben wir das erste Motiv vor uns liegen: Staatsvertrag und Neutralit�t von 1955 haben n�mlich mit ihren Bestimmungen �ber Unabh�ngigkeit, Souver�nit�t und Anschlussverbot angekn�pft an den Friedensvertrag von Saint-Germain, indem sie den Status �sterreichs als eines Kleinstaates festschrieben. Das ist es, was das heimische Gro�kapital, dessen �konomische Potenzen und Interessen mittlerweile weit �ber diesen Rahmen hinausreichen, so st�rt.
Weiters soll daran erinnert werden, dass die Herrschenden in unserem Land zweimal in diesem Jahrhundert sich dem deutschen Imperialismus in die Arme geworfen haben und an seiner Seite, als dessen Unterl�ufel, auf Raubz�ge in Europa ausgegangen sind, im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Beide Versuche haben � weniger f�r sie als f�r die Volksmassen in unserem Land � mit einer furchtbaren Katastrophe geendet. Staatsvertrag und Neutralit�t erinnern die daf�r Verantwortlichen permanent an diese ihre Verstrickung in die verbrecherische NS-Herrschaft, und das ist ein weiteres nicht unwichtiges Motiv, um sich von ihm freimachen zu wollen.
Und wenn der so genannte "Wohlfahrtsstaat" der sechziger und siebziger Jahre jetzt St�ck f�r St�ck in Tr�mmer geschlagen wird, so gehen die Angriffe gegen die sozialen Errungenschaften auch mit den Attacken gegen die Neutralit�t parallel. Das ist so, weil beide eine gemeinsame Wurzel haben: n�mlich den � wie behauptet wird � "unnat�rlichen" Zustand zu beenden, in dem sich �sterreich seit 1918 und, erneuert und international festgeschrieben, seit 1955 befand, einen Zustand, der deshalb als "unnat�rlich" und "durch die Geschichte �berholt" verleumdet wird, weil er der freien Entfaltung der tats�chlichen �konomischen Potenzen und Verwertungsbedingungen des �sterreichischen Gro�kapitals hemmend im Wege stand und steht. Mit dem EU-Beitritt und der EU-Osterweiterung will man jetzt wieder dort ankn�pfen, wo der Faden gerissen ist, an jenen Zustand vor dem Ersten Weltkrieg, als die F�hrungsschichten des Habsburgerreiches im imperialistischen Konkurrenzkampf erfolgreich mitmischten, expandierten, Einflusssph�ren hatten, Machtpositionen in Mittel- und S�dosteuropa besa�en. Die damit verbundenen Gefahren m�glicher Verstrickung in Konflikte, auch kriegerischer Art, kalkuliert man kaltbl�tig ein in der Gewissheit, als EU-Mitglied nicht nur sicherheitspolitisch R�ckendeckung zu haben, sondern mehr: als Bestandteil des EU-Imperialismus auch durch Druck und Gewaltdrohung erneute, verlockende M�glichkeiten f�r �konomische Expansion zu besitzen.
Noch ist aber nicht aller Tage Abend. Die B�ume des Globalisierungskapitalismus werden nicht in den Himmel wachsen, auch nicht die der imperialistischen Bourgeoisie bei uns. Druck wird fr�her oder sp�ter Gegendruck erzeugen in einer Welt, die von tiefen Gegens�tzen zerrissen ist, vom Konfliktpotenzial zwischen den imperialistischen Weltzentren und den Entwicklungsl�ndern, vom Konfliktpotenzial des innerimperialistischen Konkurrenzkampfes, und nicht zuletzt auch vom Konfliktpotenzial, das die nach wie vor bestehende Klassengesellschaft bei uns in sich birgt.
Wir sind Marxisten und haben damit einen theoretischen Kompass zur Seite, der es uns erm�glicht, sich in dieser Welt zu orientieren, die Erscheinungen materialistisch zu analysieren, ihre Ursachen zu erkl�ren, Manipulation und L�ge, wie sie tagt�glich von den Herrschenden der Masse der Menschen eingebl�ut werden, zu durchschauen, einen Kompass, auf den wir nicht verzichten d�rfen. F�r uns gilt weiterhin die alte Losung, dass "der Hauptfeind im eigenen Land steht", dass die eigene imperialistische Bourgeoisie vorrangig zu bek�mpfen ist. Macht man das, indem man als Kommunistin und Kommunist an konkrete Bed�rfnisse, Sorgen, W�nsche der Menschen an der Basis der Gesellschaft ankn�pft, kann dadurch etwas in Bewegung gebracht und deren Ohnmachtsgef�hl �berwunden werden. Ihr in der Steiermark demonstriert uns vor, dass es auf solche Weise geht und sich durch Hartn�ckigkeit, Konsequenz und marxistische Prinzipienfestigkeit Erfolge erzielen lassen, Erfolge, zu denen ich euch am heutigen Tag, hier, in unserer Festveranstaltung gratuliere mit dem Wunsch, dass sich diese Erfolge bei der kommenden Landtagswahl erneut einstellen und weiter steigern m�gen.

Referat am Symposium der KP� Steiermark und der Alfred Klahr Gesellschaft "Die Steiermark wird frei! 1945 � 1955 � 2005, Widerstand � Befreiung � Neutralit�t" am 30. April 2005 in Graz.

 

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